WRAYFLEX - die einzige britische Spiegelreflexcamera

(c) Frank Mechelhoff                              Neu 15. Novemver 2009          

Wrayflex Ia (1951)

wrayflex Ia
Die einzige britische Spiegelreflexcamera wurde 1951 vorgestellt, und bis ca. 1961 hauptsächlich auf dem britischen Markt verkauft.
Die Firma WRAY Optical Works im Süden Londons hatte seinerzeit einen erstklassigen Ruf, auch über die Grenzen Großbritanniens hinaus, als Hersteller von hochwertigen Objektiven, besonders für Vergrößerungsgeräte. Die WRAYFLEX war ihre erste (und einzig hergestellte) hochwertige Camera.
Über ihre Erfinder herrscht noch immer Unklarheit.
Die Camera fällt durch ihr sachlich-schnörkelloses, unbedingt eigenständiges, nirgendwoher kopiertes Design auf. Der Spiegelkasten ist perfekt in die Form integriert.
Wenn man die Camera in die Hand nimmt, fällt die Kompaktheit auf. Die Camera ist so kurz wie eine Schraubleica und nur wenig höher. Für das geringe Volumen fühlt sie sich schwer und solide an, aber nicht übergewichtig.
wrayflex
Die Trapezform der EXAKTA SLR übersetzt in Bauhaus-Stil. Sehr dynamisch (wie bei der Schraubleica oder der späteren Olympus Pen F) wirkt die asymmetrische Anordnung der Objektivöffnung -- für die es natürlich auch konstruktive Gründe gibt (Verschlusssteuerung mit Langzeitenwerk auf der rechten Seite).

with Contax D
1951/52 ist die englische WRAYFLEX neben der deutschen CONTAX D (die als einzige SLR jener frühen Nachkriegsjahre über ein Sucherprisma verfügt) die technisch modernste SLR Camera, und in der Bedienung von Verschluß und Filmtransport sogar deutlich komfortabler als diese. Sie ist sogar kompakter in ihren Abmessungen als die kleine Asahiflex, und ist gut 50% leichter als die EXAKTA.

Anders als die Praktiflex/Praktica die eine einfach verarbeitete und bescheiden ausgestattete SLR ist (auch günstiger im Preis) zielt die WRAYFLEX auf das Spitzensegment - das sind in jener Zeit EXAKTA und CONTAX D, beide aus Ostdeutschland/ DDR kommend. Auch das lichtstarke f/2 Standardobjektiv macht dies deutlich.


Konstruktive Besonderheiten der WRAYFLEX

Cross section
Abweichend von allen anderen SLRs klappt bei der WRAYFLEX der Spiegel (mitsamt der Einstellscheibe) bei der Auslösung nach hinten/oben weg. Dies hat den konstruktiven Vorteil dass die Objektive kurz gebaut werden können ohne mit dem Spiegel in Konflikt zu geraten. Selbst 35mm Objektive sind möglich ohne Zuflucht zu Retrofocus-Konstruktionen zu nehmen wie bei anderen SLRs üblich. Die Flange-to-Film Distanz ist mit 42,05mm geringer als bei fast allen anderen SLRs (45,5mm bei M42).
Doch es gibt auch Nachteile: weil die Einheit nach oben wegschwenkt ist kein Raum für den Einbau eines Dachtkantprisma vorhanden. Die WRAYFLEX I hat statt eines Prisma zwei Spiegel im oberen Teil des Gehäuses, was schon zur Bauzeit der Camera als nachteilig empfunden wird: Das Sucherbild ist aufrechtstehend, aber seitenverkehrt! (und leider auch klein und dunkel)
Zwar ist auch das Sucherprisma der CONTAX D noch recht düster - verglichen mit dem Sucherbild der WRAYFLEX jedoch deutlich besser.

In den frühen 1950'er Jahren gilt die Herstellung hochwertiger und dazu noch bezahlbarer Prismen für SLR Cameras als die größte Herausforderung in der Optikherstellung, an der alle Firmen von Weltruf fieberhaft arbeiten. Nachrüstprismen (z.B. für die Exakta) kommen erst ab 1954 heraus und sind anfangs sündteuer.
wray-shutter Die WRAYFLEX hat (als eine der ersten Schlitzverschluss-Cameras) kein bei der Verschlussauslösung mitdrehendes Zeitenrad mehr. Die langsamen Zeiten werden nicht separat eingestellt; alle Verschlusszeiten (1/1000s-1/2s und "B") befinden sich auf einem Einstellrad. Das Bildformat ist etwas kleiner als üblich: 24x32 anstatt 24x36 mm - modernes 3:4 Format..!

Ein weiteres "Extra-Feature" der WRAYFLEX ist der seinerzeit schnelle Verschlussaufzug und gleichzeitiger Filmtransport per Knebelschalter im Cameraboden - für den die schöne Leder-Bereitschaftstasche sogar eine Aussparung besitzt. Nun werden das manche heutzutage für keine besonders schnelle Filmtransportmöglichkeit halten, aber tatsächlich war es ein großer Vorteil gegenüber den üblichen "Drehrädchen". Die Prototyp-Konstruktion besass sogar einen (leider in Serie nicht verwirklichten) unten angesetzten Federwerksmotor. Auch ist zu bedenken dass so ein "Schnellaufzug" eine ganz andere Belastung auf die Mechanik (Verschlussbänder etc.) überträgt, die somit widerstandsfähiger konstruiert werden muss. Kommen die Cameras (wie diese hier) ins "Rentenalter" sollte man sie daher vielleicht mit etwas Feingefühl handhaben um sie nicht zu beschädigen...
wrayflex down view
Das Unilite Objektiv ist nicht etwa einklappbar -- es ist wirklich so klein, und ragt - wie auch das Schnittbild weiter unten zeigt - weit nach hinten in den Spiegelkasten

Der Bodenaufzug hat im übrigen mehr als bloß historischen Wert: 35 Jahre später wird Olympus Chefdesigner Maitani das WRAYFLEX Patent für die Patentierung seiner eigenen Olympus OM zitieren, der kleinsten 24x36mm SLR der Welt und seiner vielleicht genialsten Konstruktion -- Stichwort: RationelleVerteilung von Steuerungselementen der Camera im Gehäuseinneren zwecks Minimierung der Außenabmessungen. Hier war die WRAYFLEX Vorreiterin...


Objektive der WRAYFLEX

wray lens programm

Die Objektive zur WRAYFLEX sind eigenständige, patentgesicherte Konstruktionen.
Hervorzuheben ist das fünflinsige ULITE f/2 50mm - unten ein Ausschnitt aus der Patentzeichnung - 5 Linsen in 4 Gruppen, ein um eine Kittfläche vereinfachter Planartyp.
Optischer Entwickler ist Charles Wynne, der bereits bei seinem früheren Arbeitgeber, Taylor Tayler & Hobson, etliche Patente veröffentlicht hat und nach 16 Jahren bei WRAY  Professor für Optisches Design am Royal College of Science wird.

Objektivanschluss ist ein Schraubgewinde M41.2 x 26tpi - leider nicht kompatibel zum sehr ähnlichen Contax/ Praktica M42 Anschluss, das aber auch gerade erst beginnt sich als Standard durchzusetzen. Pentax/Asahi Optical verwendet bis 1956 ebenfalls noch sein eigentümliches M37.

unilite
Patente zur WRAYFLEX
und Objektiven
Camera (Prototype)
Camera (Wrayflex I)
Unilite-Objektiv

Cross-section
Generell hervorzuheben (für eine britische Firma) ist die Verwendung metrischer Brennweitenangaben - in den 1950'er Jahren unter angelsächsischen Firmen noch keineswegs üblich...
Vom f/2 Unilite behauptet die Fa. Wray in der Werbung dass es das leistungsstärkste lichtstarke Normalobjektiv seiner Zeit ist, besser als die entsprechenden Objektive von Leitz und Zeiss (Summitar, Biotar). Diese Behauptung nachzuprüfen steht noch an...

wrayflex
...Ein Fortschritt in der SLR Technik ihrer Zeit und eine bildschöne Camera!

Warum verschwand die WRAYFLEX vom Markt?

Die WRAYFLEX wurde überwiegend als Inlandsprodukt, und auch hier bloß sehr bescheiden, vermarktet: Eigentlich werden die Cameras auf Bestellung gebaut, in Stückzahlen von einigen Hundert pro Jahr. Firmen wie LEICA, VEB PENTACON, ZEISS-IKON bauen einige Zehntausend Stück von ihren Erfolgsmodellen pro Jahr -- und bald auch die Japanischen Erfolgsfirmen. Angesichts der eher handwerksmässigen Produktionsweise ist es ein Wunder dass der Preis einer WRAYFLEX mit Unilite Standardobjektiv von rund 90 Pfund überhaupt konkurrenzfähig ist.

Mit Wegfall der Importsperren für Deutsche und Japanischer Produkte (den früheren Kriegsgegnern) werden britische Produkte dem kalten Wind des Weltmarkts ausgesetzt -- was in vielen Branchen des Empire unerwartete Einbrüche hervorruft.
Wray Works
Abbildung aus  John Wade: The Wrayflex Story, 2008
Die späten 1950er Jahre sind überdies technologisch in der Cameraentwicklung eine schnelllebige Zeit - vielleicht die revolutionärste und spannendste Periode der Geschichte der Fotoindustrie. Innerhalb von 5 Jahren übernehmen die Japaner die Führerrolle, weil die traditionellen europäischen Hersteller zu spät oder gar nicht auf die Herausforderung aus dem Land der Aufgehenden Sonne reagieren. Dies Schicksal trifft auch die WRAYFLEX bzw. WRAY Optical Works LTD. Die spät herausgebrachte WRAYFLEX II mit Prismensucher wirkt unharmonisch, das Prisma aufgesetzt. Die neue Asahi PENTAX (1957) deren Prismen-Sucherbild als revolutionär hell und vorbildlich gilt, kann leider einfach alles besser -- und hat dazu noch den durch die ostdeutsche Praktica bekannten, universellen M42 Objektivanschluss. Für die WRAYFLEX gibt es dagegen bis zum Ende bloss fünf Objektive.
WRAY Optical kann sich noch einige Jahre als Produzent für Kopier-, Vergrößerer- und Großformatobjektive, Ferngläser, Diaprojektoren und medizinische Spezialcameras halten, vorwiegend für den Inlandsmarkt gebaut. 1962 wird WRAY von Hilger &Watts übernommen und gerät zusammen mit einstigen Konkurrenten wie Taylor, Taylor & Hobson unter ein Dach. Das geht nicht lange gut. Der Output geht immer mehr zurück. Im Juni 1971 wird WRAY Optical Works in der Ashgrove Road in Bromley, einer südlichen Vorstadt von London, nach über 120 Jahren geschlossen. 200 Mitarbeiter müssen sich einen neuen Job suchen. Die Anlagen und das Fabrikgebäude (das in anderer Verwendung noch immer besteht) werden verkauft.


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