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Der Niedergang des  Hauses
Voigtländer
(c) Photos und Texte by Frank Mechelhoff                 27. Januar 2010 Update Feb 2013

Bessamatic Werbung
Eine Werbung aus guten Voigtländer Zeiten: Bessamatic
- vor Lockhead Super-Constellation - dem ersten Nachkriegs-Transatlantikflugzeug der Lufthansa. Wie gemütlich Luiftverkehr doch einmal war...
1958 kam die Bessamatic auf den Markt - und die Lufthansa bestellte die ersten Boeing 707 : Die Propeller-Ära stand vor ihrem Ende, und das Ende der Zentralverschluß-SLR's kam nicht viel später. Die Nierentisch-Ära ist vorbei!


Produktionsdiagramm der SLR Produktion bei Voigtländer in Braunschweig
Auswertung der bei
PROCHNOW-Voigtländer-Report-2 gegebenen Produktionszahlen. Schlitzverschluss-SLR's (Icarex-Familie dabei bloß zu 50% berücksichtigt, da wahrscheinlich die andere Hälfte in Zeiss-Ikon Werken produziert wurde)
Bestimmt waren dem damaligen Management von Zeiss-Ikon/Voigtländer bessere oder genauere Zahlen bekannt; dies ist aber durch den Untergang des Voigtländer Archivs 1972 nicht mehr nachvollziehbar.


Production chart SLRs
            1958-1972
Welche Schlussfolgerungen hätte das Management hieraus ziehen müssen?
Seit 1960: Erhöhung der Produktion bloß noch durch Modellvariationen möglich (Gefahr der "Verzettelung" und zu kleiner, unwirtschaftlicher Mengen)
Seit 1962: fallende Verkaufszahlen für Zentralverschluss-SLRs
1963 steht eine Schlitzverschluss-SLR produktionsbereit zur Verfügung, wird aber erst 1966 ins Programm genommen (Entscheidung der Konzernmutter)
1966: Das Anrollen der Icarex-Produktion sorgt für einen kurzen Zwischenaufschwung, der aber bald verpufft ist weil die Weiterentwicklung der Produktreihe ausbleibt
1967: Rezession. Die Produktion fällt unter 25.000 Einheiten und damit wird eine kritische Größe für einen Camera-Großserienhersteller unterschritten
1969: Letzter kleiner Aufschwung durch Aufnahme von Icarex SLRs im M42 Schraubgewinde - leider mit Arbeitsblendenmessung und damit dem Stand der Technik um 5 Jahre hinterher.
1970 fallen die Produktionszahlen auf ein so niedriges Niveau dass Voigtländer nicht mehr zu retten ist. Es muss berücksichtigt werden dass die Verkaufszahlen in der Krise noch niedriger sind da der Handel als Zwischenpuffer wirkt.


Die Geschichte von VOIGTLÄNDER ab 1953 - in Stichworten denn sie ist überwiegend traurig...

1953  Die letzten guten Nachrichten: VITESSA in Produktion, eine der coolsten Kleinbildcameras die es je gab. Unverwechselbares Design, einklappbares Objektiv, kompakt, mit Meßsucher, excellente Objektive, erstklassiges Finish. "So eine hübsche Camera, man mag kaum glauben dass es keine LEICA ist" (S.Gandy)

1956 Voigtländer ist tief in den roten Zahlen. Warum?
Das Modellprogramm ist angestaubt, man setzt noch auf die 6x6 und 6x9 Faltcameras, mit dem Charme der 1930'er Jahre, die kaum einer noch haben will. Das Kleinbild-Spitzenmodell Prominent mit Zentralsverschluss ist ein unhandliches Monstrum, verglichen mit der Leica III. Niemand kauft eine Camera um mit ihr Nägel in die Wand zu schlagen. Schering AG, seit drei Jahrzehnten Hauptaktionär und ihnen zeitweilig sogar mit einem eigenen Konstruktionsbüro in Berlin Dampf machend, hat endgültig genug und verkauft seine Anteile an ZEISS-IKON. Oh je, das ist ihr Hauptkonkurrent. Aber eine feindliche Übernahme ist dies nicht. Auch mit dem neuem Besitzer bleibt Voigtländer die nächsten Jahre selbständig. Da man mit der Parallelproduktion auf allen Gebieten fortfährt, für mein Gefühl fast ein bißchen zu selbständig. Aber man tut zu Beginn auch richtiges: die Produktion wird entrümpelt, Balgen-Faltcameras und zweiäugige Spiegelreflexcameras aus dem Programm genommen. Statt Cameras und Objektive für alle Filmformate zu bauen konzentriert man sich fortan auf Kleinbild.

Bessamatic
1958 Erste Voigtländer SLR Camera - BESSAMATIC: gekuppelter Selenbelichtungsmesser, Zentralverschluß hinter dem Objektiv (daher diese voll wechselbar), kein Rückschwingspiegel. Zeiss-Ikon hätte ihre CONTAFLEX Familie sofort einstellen und den Forschungs- und Entwicklungsaufwand bündeln müssen, denn es ist ersichtlich dass die BESSAMATIC das überlegene Konzept bietet, und sich die ersten 3 Jahre auch sehr gut verkauft. Stattdessen wurschelt der Konzern für das nächste Jahrzehnt an zwei unkompatiblen Zentralverschluß-SLR-Familien herum die auf genau denselben Markt zielen, und kann so den Japanern nicht folgen die ihre Neuerungen feuerwerksartig auf den Markt bringen...

Prototyp
1959 - der Prototyp 132 entworfen von Walter Swarofsky, verworfen vom Kernzernvorstand und nie in Serie gebaut: Mit Wechselsucher, TTL-Belichtungsmessung, vollautomatische Springblende und Rückschwingspiegel, Metall-Sektionalverschluß mit 1/100s Synchronisation, voll wechselbaren Objektiven mit Blendenübertragung, keine Bedienungselemente auf der Camera-Oberseite. Diese Camera, angesiedelt in der oberen SLR Mittelklasse,  würde konkurrieren mit dem Flagschiff von Zeiss-Ikon, der Contarex. Daher wird es gar nicht produziert...  wie rücksichtsvoll! - Und wie herzlos von NIKON ihr Modell "F" im gleichen Jahr auf den Markt zu bringen!

Zoomar
1959 ZOOMAR - das erste Kleinbild-Zoomobjektiv - namensgebend für eine ganze Gattung, die früher Gummilinse hiess... ein zugekauftes, amerikanisches Design von Dr. Frank G. Back von ZOOMAR in Long Island New York, lizensiert von Zoomar (München). Erst muß man das Knowhow extern zukaufen, dann geht es langsam bergab - hier und auch woanders. 1:2.8/ 36-82mm - damit auch das erste "Universalzoom" - würde man heute "lichstarkes Zoom" nennen. Keine schlechte Leistung, aber schwer, teuer und 15 einfach vergütete Linsen in 11 Gruppen. Die  Weiterentwicklung der Objektivgattung Zoom kommt nur langsam in Gang - und aus JAPAN.

Ultramatik 1962 Eine der ersten SLRs mit Belichtungsautomatic - ULTRAMATIC.
Gleiches Bajonett wie Bessamatic. Das erste Modell hat Selenbelichtungsmesser auf dem Prisma (kein TTL; gibt's noch nicht) mit Rückschwingspiegel, das zweite Modell (CS) TTL-Belichtungsmesser mit CdS-Zelle im Prisma (erste Sahne!) aber ohne Rückschwingspiegel - versteht das irgendjemand?? Natürlich nicht: es ist der Offenbarungseid, dass man das Vorgängermodell so komplex konstruiert hat dass es nicht mehr zuverlässig funktionierte (KOWA in Japan gelingt dies besser). Dies superkomplexe Uhrwerk voll mit Federn und Gebtrieben wiegt 1105g, verglichen mit 750g einer Pentax Spotmatic mit Normalobjektiv. Sogar eine Nikon F ist leichter. Nun wird die wirkliche Bedeutung des Slogans klar mit dem seit Jahren geworben wird: "VOIGTLÄNDER - WEIL DAS OBJEKTIV SO GUT IST" : Na klar, wegen der CAMERAS kauft man sie jedenfalls nicht!

Bessaflex
1963 - BESSAFLEX - eine Einsteiger-SLR ohne Belichtungsmesser mit wechselbaren Suchern in den geraden klaren Linien des Prototyps 132 und der Ultramatic. TTL Belichtungsmessung gibt's damals noch nicht. Anvisiert wird ein Kampfpreis von 400,- DM mit Standardobjektiv -- die richtige Antwort auf die Japanische Camerainvasion! Auch nicht produziert auf Geheiß des Zeiss-Ikon Vorstands -- diese Entscheidung verdient in Hinblick auf weitere Entwicklung des Konzerns kein anderes Urteil als : k-a-t-a-s-t-r-o-p-h-a-l !

1966 wird der Vertrieb von Zeiss Ikon und Voigtländer zumindest organisatorisch zusammengelegt. Nachdem auch der größte Optimist nicht mehr glaubt dass die Verkaufszahlen von Zentralverschluß-SLRs sich nochmal erholt, wird die BESSAFLEX aus dem Keller geholt, die hübsche Form wird designmässig zum Brikett verunstaltet und kommt als ICAREX (siehe Deutsche Kleinbildcamera Geschichte) auf den Markt. Unter diesen Umständen grenzt es an ein Wunder und ist nur der Qualität von Swarofsky's ursprünglichem Designentwurf zu verdanken dass sie überhaupt jemand kauft. Man produziert sie zusätzlich zu Bessamatic/ Ultramatic, Contaflex, Contaflex 127 und Contarex : FÜNF miteinander völlig inkompatible SLR-Systeme gleichzeitig auf dem  Markt - Weltrekord! Und keines verkauft sich in Stückzahlen die ein Großserienhersteller eigentlich benötigt um auf dem Weltmarkt Gewinne zu erwirtschaften, und ihm erlauben die Fortentwicklung der Produkte und sein eigenes Überleben zu sichern.

1968 erscheint das Logo "Zeiss Ikon / Voigtländer" auf den Cameras. Langsam geht es Voigtländer und Zeiss-Ikon so richtig miserabel, weil sie seit 10 Jahren immer die falschen Entscheidungen getroffen haben. Die Japaner hingegen ernten die Früchte ihrer im gleichen Zeitraum verfolgten richtigen Modellpolitik, und bauen ihre marktbeherrschende Stellung weiter aus. Ihre Verkaufsgewinne stecken sie konsequent in Weiterentwicklung der Produkte und Vergrösserung ihrer Produktionskapazitäten, und so wird es für die Deutschen Hersteller immer aussichtsloser.

1969 stellt Voigtländer die Spiegelreflex-Baureihe mangels Nachfrage ein: Das letzte Modell, die Ultramatic-CS, kostete zum Schluß mit f/2.0-Standardobjektiv (lichstärkere gab es nicht dank Zentralverschluß) DM 989,- Sie müsste aber vermutlich 1.600,- kosten denn sie ist doppelt so kompliziert wie die (800,-kostende) Pentax Spotmatic und wiegt auch fast das doppelte. Hinzu kommt, dass Pentax von ihr in einem Monat mehr baut, als Voigtländer von ihrem Modell im ganzen Jahr!

Im Herbst 1971 beendet ZEISS/ Zeiss-Ikon die Produktion von Cameras in Deutschen Landen ersatzlos, wenig später gehen auch bei VOIGTLÄNDER in Braunschweig die Lichter aus.
Das überalterte Management besitzt die Frechheit, hierfür den Arbeitern und den zu hohen Löhnen die Schuld zu geben. Na klar, wenn die Verkaufszahlen gegen Null tendieren, klettern die Stückkosten gegen Unendlich (und zwar bei jeder Lohnsumme)! In Wahrheit sind die Verluste entstanden weil man sich völlig am Markt verzettelt hat, den Entwicklungen der Japanischen Konkurrenz nicht hinterherkommt, und die Kunden es einfach leid sind.
Die ehemals stolze Voigtländer AG (Besitzer Zeiss-Ikon) wird dem Land Niedersachsen, Rollei und der Carl-Zeiss Stiftung zugeschlagen: über 1900 von 2100 Mitarbeitern werden entlassen. Einige kommen für eine Weile bei Rollei unter bis auch die in die Krise geraten.

werkeSPIEGEL-Artikel vom 30.08.1971


Das ehemaliges Fabrikgelände der VOIGTLÄNDER OPTISCHEN WERKE in Braunschweig-Gliesmarode (Luftbild von 1957). Unten rechts die Kreuzung Berliner Str./ Petzvalstraße). Im oberen linken Bereich die 1957 neugebaute dreistöckige Optische Ferigung . Hier arbeiteten mal 2.600 Mitarbeiter
Luftbild
..und heute. Die Gebäude stehen fast alle noch (rund die Hälfte leer, der Rest an kleine Gewerbebetriebe vermietet)
Sogar die beiden PKW-Parkplätze links der Petzvalstraße existieren noch in Resten, den Wendehammer der Straßenbahn und die überdachten Fahrradstellplätze gibt es nicht mehr. Rechts des Geländes ist heute ein Großmarkt.


Größere Kartenansicht

1973 Rollei übernimmt VOIGTLÄNDER zu 100% und produziert in eigenen Werken, überwiegend in Singapore wieder VOIGTLÄNDER Produkte, die eigentlich Rollei-Designs sind, über eine eigene Vertriebsorganisation.

1974 SLR VSL 1 konstruiert, als Voigtländer vermarktet (altes ZEISS-IKON Design durch Rollei aufgefrischt, made in Singapore)

1975 Die "Optischen Werke Voigtländer" (Auffanggesellschaft im Rollei Eigentum) werden endgültig geschlossen, und Einrichtungen/ Designs etc. von Rollei übernommen

1980 Die Firma Plus-Photo übernimmt den Vertrieb der Voigtländer Cameras von Rollei

1982 Nach dem Konkurs von Rollei übernimmt Plus-Photo die Reste von Voigtländer (im wesentlichen den Namen)

1984 Japanischer SLR- Prototyp  "Bessamatic" mit Color-Ultron von Mamiya und Plusphoto

1987 Ricoh und Chinon beginnen mit der Produktion von "Voigtländer" als Billigmarke für Plusphoto, hautptsächlich für den Versandhandel. Eine Menge Billigcameras bringen den guten Namen, den Voigtländer immer noch hat, in Mißkredit

1994 Der letzte Betriebszweig der ehemaligen Voigtländer-Werke in Braunschweig, Reparatur und Service, wird geschlossen...

1997 "Voigtländer" (es ist bloß noch ein blanker Name und eine geschützte Handelsmarke übrig, keine Fabrik, keine Maschinen, keine Mitarbeiter, auch keine Designs oder Patente) wird für 100.000,- DM von RINGFOTO GmbH& Alfo Marketing GmbH gekauft. Keiner weiß was die damit vorhaben, und man erwartet auch nichts Gutes

1999 Die erste gute Voigtländer Nachricht seit 30 Jahren: Cosina Ltd. in Japan hat das Recht zur Benutzung des traditionellen Namens erworben (auch der Produktnamen wie Bessa, Heliar, Ultron, Skopar, Apo-Lanthar) and beginnt, über 30 Jahre nachdem der letzte Hersteller, CANON, diese beendet hat, eine erstaunliche Produktion von Meßsucherkameras und Objektiven im Leica Schraubgewinde, die vorzuügliche Kritiken in der Fotofachpresse erhalten und löst damit die "Rangefinder-Renaissance" aus, von der auch der letzte verbliebene Deutsche Hersteller LEICA profitiert

2003 Cosina fabriziert in Japan unter dem Namen VOIGTLÄNDER eine Familie von 4 Messucher- und SLR Cameras genannt BESSA, und eine dazugehörige Familie von etwa 10 Objektiven mit den traditionellen Design-Namen (in vier unterschiedlichen Anschlüssen wie M42, Contax und Nikon S Bajonett) und hat einen nicht für möglich erachteten Erfolg in einem Prosumer-Nischenmarkt. den man mit dieser Strategie versucht bis ins letzte abzugrasen

2005 gibt CARL ZEISS bekannt, dass man mit Cosina/ Voigtländer eine neue Meßsucherkamera bauen will, genannt "ZEISS IKON" and 5 CARL-ZEISS Objektive für diese Camera "Made in Japan" durch Cosina gebaut werden sollen. Die Objektive sind bereits auf dem Markt. Die Camera noch nicht. Damit zielt man jetzt auf das Spitzensegment Meßsuchercameras, nur noch eine kleine Marktnische - aber mit hohem technische Renomee - beherrscht von der letzten in Deutschland Cameras produzierenden
einstmals führenden Weltmarktfirma, im hessischen Solms ansässigen Traditionsunternehmen LEICA AG...

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